
FAQ
Weshalb braucht mein Pferd eine Zahnkontrolle?
Das Gebiss des Pferdes ist evolutionär bedingt auf ein Leben in der Steppe ausgelegt, wo Pferde bis zu 20 Stunden am Tag mit der Aufnahme von Raufutter und kurzem Wiesengras verbracht haben.
Heutzutage nimmt die Futteraufnahme jedoch wesentlich weniger Zeit in Anspruch, ebenfalls beansprucht weiches Weidegras, Müslimischungen und Kraftfutter das Gebiss kaum.
Pferde haben ein hypsodontes Gebiss, das heisst die Zähne schieben kontinuierlich einige Millimeter im Jahr aus dem Zahnfach hinaus.
Durch die veränderte Futteraufnahme kommt es oft zu Fehlstellungen und Malokklusionen einzelner Zähne, Haken- und Rampenbildungen und anderen Veränderungen im Gebiss, die durch das Nachschieben der Zähne mit der Zeit immer prominenter werden.
Um diese Frühzeitig zu Erkennen oder Vorbeugen zu können, ist eine regelmässige Maulhöhlenuntersuchung von einem Pferdezahnmediziner unumgänglich.
Nach einer ersten Befunderhebung wird in Zuge der Erstuntersuchung der weitere Behandlungsplan besprochen und wenn nötig, eine Zahnbehandlung in Sedierung durchgeführt.

Deutlich sichtbare Assymmetrie der Schneidezähne

Eine ausführliche Untersuchung der Maulhöhle mittels Spiegel und/oder Endoskop ist für eine genaue Diagnostik ausschlaggebend.
Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Zahnkontrolle?
Generell sollte der Haustierarzt beginnend mit der ersten Fohlenuntersuchung (der erste Schneidezahn bricht bereits mit ca. 6 Tagen durch, die hinteren bleibenden Backenzähne, die keine Milchzahnvorläufer haben, brechen ab 6 Monaten durch) und weitergehend bei jeder Impfung das Pferdemaul auf offensichtliche Zahnprobleme begutachten, um ehestmöglich eine Korrektur durchführen zu können.
Besonders wichtig ist eine genaue Zahnmedizinische Untersuchung vor Kontakt des Pferdemauls mit einer Trense, da die Zeit des Einreitens bei den meisten Pferden mit dem Zahnwechsel der vorderen Backenzähne und dritten Schneidezähne zusammenfällt. Nicht diagnostizierte persistierende Milchzahnkappen und störende Wolfszähne können zu Rittigkeitsproblemen und falsch interpretierten Verhaltensprobleme führen. Kopfschlagen, steifer Gang und Abwehrbewegungen beim Reiten fallen deutlich früher auf, als Störungen in der Futteraufnahme oder Gewichtsverlust.
Da Pferde evolutionär bedingt Fluchttiere sind und in der Herde immer die schwächsten Tiere von Fressfeinden zuerst erlegt wurden, kompensieren sie Schmerzen im Maulbereich sehr lange Zeit, bevor Symptome wie Abmagerung, Futterwickelbildung, Lethargie etc. gezeigt werden.
Daher empfehle ich, eine gründliche Maulhöhlenadspektion einmal im Jahr. Dann wird die Entscheidung nach Rücksprache und Befunderhebung nach ausführlicher klinischen Untersuchung zur Sedation und Gebisskorrektur getroffen.


Schmerzhafte und definitiv störende Hakenbildung an den Backenzähnen
Was sind die häufigsten Zeichen, dass ein Pferd eine Zahnkontrolle braucht?
Evolutionär bedingt zeigen Pferde oft lange keine Symptome oder kompensieren diese.
Jedoch gibt es einige Auffälligkeiten, die auf Zahnprobleme hinweisen können.
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Rausfallen von Heu oder Futter aus dem Maul während des Fressvorgangs
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Heuwickel am Futtertisch
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Langsames Fressen
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Futter im Wasserkübel oder in der Tränke (Pferde probieren kompensatorisch das Maul auszuspülen)
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Kopfschlagen
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Exzessives Speicheln und offensichtliche Kauprobleme
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veränderte Kaubewegungen
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Gewichtsverlust
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Grosse (>4mm), unverdaute Fresspartikel im Kot
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Abwehrbewegungen beim Zäumen, Kopfschlagen beim Reiten, Widersetzen gegen die Trense
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Fauler Geruch aus der Maulhöhle
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Nasenausfluss
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Schwellungen des Gesichtsschädels/Weichteilgewebes am Unterkiefer oder im Nasenbereich
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Wie oben bereits beschrieben zeigen viele Pferde Symptome bei Zahnproblemen, jedoch bedeutet Symptomlosigkeit nicht, dass keine Auffälligkeiten in der Maulhöhle vorliegen können. Daher ist eine jährliche Kontrolluntersuchung von einem Zahnmedizin versierten Praktiker oder Tierarzt empfehlenswert.

Wieso ist eine Sedierung notwendig?
Ich sediere jedes Pferd bei einer Zahnbehandlung nach einer sorgfältigen klinischen Untersuchung und bei Indikation, eine Zahnbehandlung durchzuführen.
Nur so ist eine sichere Diagnosestellung und Beurteilung der Okklusion der gesamten Maulhöhle bis zu den hinterste Backenzähnen möglich, der Stress für das Fluchttier Pferd wird minimiert, die Verletzungsgefahr für Pferd und Mensch reduziert und es wird eine bestmögliche Arbeitsqualität sichergestellt (Einsetzen des Maulgatters, Relaxation anatomischer Strukturen wie Kiefergelenk, Kaumuskulatur).
Es ist ohne Sedierung nicht möglich, die hinteren Zähne oder Erkrankungen wie Pulpitis, Parodontitis oder Asymmetrien der Kauflächen zu erkennen und zu behandeln. Ebenfalls machen es die Abwehrbewegungen eines unsedierten Pferdes unmöglich, Befunde an den Schneidezähen zu erheben und zu korrigieren.
Bei der Sedierung wird nur solch eine Dosis und Medikation gewählt, dass das Pferd nach einer Behandlung wieder risikofrei in seine Box gehen kann und nach ein bis zwei Stunden wieder angefüttert werden kann. Die genaue Dokumentation der Menge und Art der Sedierung sind mir hier ebenfalls wichtig, um bei Folgebehandlungen die Wirkweise zu optimieren.
Eine Sedierung mit den gängigen und modernen Sedativa wirkt einige Minuten nach der Injektion, die Tiere werden ruhiger und nehmen einen selbst balancierten Stand ein, ein sicherer und rutschfester Arbeitsplatz ist hier wichtig. Sehr aufgeregte, alte Pferd und Pferde mit unterentwickelter (Stamm-) Muskulatur schwanken eher, als gut bemuskelte und jüngere Tiere. Manche Pferde zucken zu Beginn, was nach einigen Minuten wieder verschwindet. Eine Abschwitzdecke im Winter kann nach der Behandlung sinnvoll sein, damit die Tiere nicht auskühlen. Fliegenspray oder Fliegendecke im Sommer kann ebenfalls hilfreich sein, um die Abwehrbewegungen gegen Insekten zu minimieren.
Nach der Sedierung kann es zum Nachschwitzen kommen, Pferde sollten einige Zeit separiert werden, bis sie wieder mobil genug für die Herde sind. Nahrungskarenz für ein bis zwei Stunden wird empfohlen, ebenso ist ein Maulkorb in einer Herdenhaltung sinnvoll, falls das Pferd in einer Box zu unruhig ist.
Die Karenzzeit für Turnierpferde beträgt national sieben, international 14 Tage.


Auch für Laien bereits erkennbare problematische Befunde an den Schneidezähnen.
Wie läuft eine Zahnbehandlung ab?
Nach Indikation zur Zahnbehandlung und adäquaten Sedierung wird je nach Befund zuerst mit Bearbeitung der Backenzähne oder Optimieren der Schneidezahnstellung begonnen. Das Raspeln scharfer Kanten im hintern Maulbereich macht nur ein Drittel einer guten Zahnbehandlung aus.
Zwar ist es für den Besitzer ziemlich beeindruckend, grosse Haken, scharfe Spitzen oder sogar Meisselzähne im Maul seines Pferde bearbeitet zu sehen, dennoch ist bei einer ausführlichen Pferdzahnbehandlung die Herstellung der 3-Punkt Balance zwischen Schneidezähnen, Backenzähnen und Kiefergelenk das Ziel.
Es wird von mir in einer ausführlichen Maulhöhlenadspektion mit geeigneten Spiegeln auf Zahnprobleme oder etwaige Pathologien wie Parodontosen, Diastema, periphere Karies oder Infundibularkaries oder andere Verletzungen durchgeführt und diesbezüglich behandelt.
Bei der Optimierung und Anpassung der Schneidezähne nach Befundung verwende ich geeignete Schneidezahnschleifhandstücke, um lange oder schiefe Schneidezähne zu bearbeiten. Zu lange Schneidezähne würden den optimalen Kontakt der Backenzähne und damit den Mahlvorgang behindern und kompensatorisch in einer sehr weit ausladenden Seitwärtsbewegung der Backenzähne resultieren.
Werden die Schneidezähne nicht angepasst und nur die Backenzähne abgeschliffen, frisst das Pferd oft noch schlecher, als vor der Behandlung. Die kräftigen Kiefermuskeln erhöhen den Druck auf die Schneidezähne, dass die Position im Kieferknochen nicht mehr gehalten werden und nach vorne gedrückt werden. Die Folge können gelockerte Zähne oder Fehlstellungen im Schneidezahnbereich sein, die ebenfalls im Stall von mir nach Indikation mit geeigneten Instrumentarien unter lokaler Nervenbetäubung entfernt werden können. Oft sind jedoch nur kleine Längen- oder Winkelkorrekturen notwendig.
Die Bearbeitung der Backenzähne wird ebenfalls so Zahnmaterialschonend wie möglich mit modernsten, Strombetriebenen Maschinen durchgeführt, Problemebefunde im Backenzahnbereich wie Haken, Wellen, Rampen, ATRs (accentuate transverse Ridges),... werden entfernt und bearbeitet und alle Abnormalitäten in einem schriftlichen und/oder digitalen Dentalsheet, welches beim Besitzer bleibt, oder in der elektronischen Tiergesundheitsakte (elTIGA) dokumentiert.
Falls notwendig führe ich auch Zahnextraktionen (Wolfszähne, Zahnkappen, pathologische Backenzähne oder Schneidezähne im Rahmen vom EOTRH Komplex) direkt im Stall durch. Nach lokaler Infiltration mit Anästhetika im Bereich des zu ziehenden Zahnes wird auch eine Extraktion vom Patienten gut geduldet und dem Patienten schnell Abhilfe geschaffen.
Je nach Befunden empfehle ich dringende Nachbehandlungen (zB. nach Extraktionen) in kürzeren Intervallen, bei jungen Pferden und Senioren im 6 monatigem Abstand und bei allen anderen im Jahresabstand.



Was muss ich vor und nach dem Zahnarztbesuch beachten?
Am Tag der Zahnbehandlung können sie ihr Pferd noch leicht arbeiten, stellen sie es jedoch vor der Zahnbehandlung in eine ihm bekannte Box, zur Beruhigung können auch Herdenmitglieder in die Nachbarbox gebracht werden.
Die gebräuchlichsten Beruhigungsmittel wirken bei entspannteren Pferden schneller und effektiver, daher kann mit einer ruhigen Umgebung die Menge der Sedativa minimiert werden.
Eine Box zur Behandlung an einem ruhigen Ort ohne Durchlauf im Stall hat sich bei Sammelbehandlungen bewährt. Zum Aufhängen des Pferdedentalhalfters ist eine stabile Querstange (meist reicht die Aufhängung der Boxentür) über der Box wichtig, auch Platz für die Dentalgeräte neben der Box sind notwendig. Mehrere Kübel, ein Verlängerungskabel und alte Handtücher, die Vorab vom Besitzer gerichtet werden, ersparen Zeit beim Aufbau.
Nach der Behandlung, selbst nach Extraktionen, werden die Pferde meist innerhalb kurzer Zeit wieder wach, sie sind aber jederzeit stehfähig und können wieder angefüttert werden oder je nach Verhalten auf die Koppel gebracht werden. Weitere Vorgangsweisen werden jedoch individuell im Stall besprochen.
Eine Tetanusprophylaxe ist Voraussetzung für eine sichere Zahnbehandlung, um eine zwar seltene, aber therapieintensive und meist auch tödliche Infektion mit Tetanusbakterien nach der Behandlung zu verhindern. Falls kein aktiver Impfschutz vorliegt, wird der Patient von mir mit Serum bei der Zahnbehandlung aktiv immunisiert.
Bitte den Impfpass bereit halten oder vorab abklären.

Auch Zufallsbefunde an anderen anatomischen Strukturen in der Maulhöhle können gefunden werden, wie hier eine schwerwiegende Verletzung der Zungenoberseite.
Gibt es rassespezifische Besonderheiten?
Wie bereits oben beschrieben gibt es neben den besonderen Altersspezifischen Indikationen (junge Pferde vor dem ersten Auftrensen, persistierende Milchzahnkappen im Zahnwechsel, ältere Pferde mit geringer Zahnsubstanz) und Symptomspezifischen Indikationen (Abmagerung, offensichtliche Fressprobleme, Verhaltensprobleme wie Krippenwetzen, offfensichtlich schmerzhafte Prozesse der Schneidezähne wie EOTRH,...) auch Rassespezifische Besonderheiten bei einigen Pferderassen.
Hervorzuheben sind Anomalien im Gebiss bei bestimmten Pferderassen wie Araber, Quarter und vor allem Miniponys mit kurzen und feinen Köpfen (siehe Foto mit den Verhältnissen des knöchernen Schädels und Zahnstellung eines Miniponys unten), die oftmals keinen Platz auf der Zahnleiste haben, wodurch die Backenzähne nach aussen oder innen verkippen, offene Zahnzwischeräume mit schmerzenden Einspiessungen können entstehen, die in Folge zum Zahnverlust aufgrund von Periodontalerkrankungen führen.
Diese fehlgestellten Zähne werden ebenfalls schief abgenutzt und machen in naher Zukunft Probleme beim Fressvorgang. Besonders bei Mini Shettis sind Zahnprobleme sehr häufig anzutreffen. Oft lohnt sich ein Blick ins Maul, denn viele Fehlstellungen sind schon bei der ersten Adspektion zu erkennen, die ohne Behandlung nicht folgenlos bleiben.
Angeborene Besonderheiten wie ein Über- oder Unterbiss der Schneidezähne mit folgenden Malokklussionen im hinteren Backenzahnbereich, ebenso wie überzählige Zähne oder Zahnwechselprobleme sind auch hier auf dem ersten Blick zu finden.
Auch diesen Patienten kann mit einer gezielten zahnmedizinischen Behandlung, oftmals mit mehrmaligen Folgebehandlungen im kürzeren Abstand, effektiv geholfen werden.

